Prozeßorientierte
Informationsmodellierung als Basis für Wissensmanagement-Architekturen
Christian
Fillies
Fillies & Friends Consulting
Bredower Str. 145, 14612 Falkensee
cfillies@cfillies.de
Dr. Frauke Weichhardt
Weichhardt + Partner AG
Auf Oberrüti
15, CH-6048 Horw
fweichhardt@01019freenet.de
1
Einführung
Organisationsbezogene Wissensmanagement-Systeme basieren
auf zwei Faktoren: Einerseits muß eine technologische
Infrastruktur vorhanden sein,
die den physikalischen Zugriff auf das Wissen ermöglicht. Andererseits müssen
die kulturellen Voraussetzungen gegeben sein, um die Nutzung dieser Infrastruktur
sicherzustellen. Dabei wird davon ausgegangen, daß
jedes Wissensmanagement-System auf einem organisationsspezifischen Informationsmodell
(Kategorie-System, Begriffssystem, Taxonomie)
basiert, das in der Regel spätestens mit der Einführung der notwendigen
technologischen Infrastruktur
explizit erhoben wird. Der folgende Beitrag beschreibt und diskutiert
verschiedene Wege zur Erstellung eines Informationsmodells.
Die Einführung von praktischen Wissensmanagement-Systemen
besteht aus mindestens zwei Phasen:
·
der Entwicklung eines Informationsmodells und
·
der Anwendung des
Informationsmodells zur Klassifikation von Dokumenten.
Grundlage für alle Wissensmanagement-Systeme ist die erste
Phase mit der Entwicklung einer gemeinsamen Sprache bzw. eines gemeinsamen
Verständnisses der Domäne. Das dabei entstandene Informationsmodell
ist - mehr oder minder unabhängig von der später verwendeten Plattform
- das Herzstück der Such- und Vergleichsfunktionalität. Ein Informationsmodell
verwaltet neben Begriffen auch Synonyme und nutzerspezifische Sichten. Prozesse
und Business-Objekte sind aus dem Informationsmodell
ableitbar.
Besondere Bedeutung gewinnt das Informationsmodell
einerseits durch die zunehmende sprachliche Normung auf der Basis von XML
im Zuge der Einführung unternehmensübergreifender
Geschäftsprozesse im B2B E-Commerce. Andererseits
entsteht die nächste Generation des WWW als ein „Semantic Web“. Das Semantic
Web ist ein Netz aus Meta-Daten.
Zu jeder Web-Seite ist praktisch ein semantisches Netz bzw. Informationsmodell
zugeordnet, das die Inhalte maschinell auswertbar macht.
1
Das Komplexitätsproblem
Erster Schritt der praktischen Einführung technischer
Wissensmanagementsysteme ist die Ermittlung eines domänenspezifischen
Begriffssystems. Unabhängig davon, ob eine für Knowledge
Management geeignete Groupware wie Exchange oder Notes eingeführt werden soll,
neue Software entwickelt oder ein größeres Geschäftsprozessmodellierungsprojekt
initiiert wird, ist es unabdingbar, eine gemeinsame Terminologie zu entwickeln,
um später die Teilmodelle wieder konsistent zusammenführen zu können. Obwohl
die Erfahrung vieler Modellierungsprojekte zeigt, dass jeder hier investierte
Tag sich am Projekt-Ende mehrfach bezahlt macht, schrecken viele vor
den Aufwänden einer systematischen objekt-orientierten Informationsmodellierung
zurück.
Die Modellierungsperformance liegt ungefähr bei 1000
Begriffsdefinitionen aus dem technischen Bankbereich mit 6 Personen in 3
Monaten ohne Toolunterstützung. Dies entspricht 1,5 Begriffen pro Person
pro Tag. Die Zahlen beziehen sich auf gemischte Teams
mit Domain- und Toolexperten. Mit Toolunterstützung durch den Knowlogy Modellspracheneditor
www.knowlogy.de gewinnt man durch eine
gezielte Datenbankunterstützung, automatische Textanalyse und die Kombination
mit graphischen Modellierungswerkzeugen etwa den Faktor
5.
Durch die starke Verbreitung von Standard-Software
einerseits und Standardisierungstendenzen im Internet andererseits wird das
Einbeziehen existierender Begriffsysteme immer wichtiger.
Das Informationsmodell soll nicht
nur den unternehmensspezifischen Sprachgebrauch festschreiben, sondern auch
eine konsistente Kommunikation
mit den in der Supply-Chain verbundenen Unternehmen
liefern. Deshalb muss das Informationsmodell die
existierenden Standards für die modellierte Branche mit
einbeziehen. Das R/3 Referenzmodell deckt beispielsweise
mit ca. 15.000 Elementen alle Teilbereiche des Unternehmen ab. Das XML- Schema
„Invoice“ von CommerceOne
enthält ca. 100 Elemente. Umfassende Taxonomien mit
allgemeinem Wissen wie z.B. Wordnet http://cogsci.princeton.edu/~wn/
oder Open Directory www.dmoz.org umfassen
sogar bis zu 50.000 Konzepte. Auch im Produktionsbereich liegen die ersten STEP-Datenmodelle
als XML-Schema
vor, die als Basis für Informationsmodelle
und damit auch Prozessmodelle dienen können ( www.prostep.de ). Es wird deutlich, daß diese Menge an Objekten manuell in der Regel nicht mehr
verwaltet und gewartet werden kann. Das Komplexitätsproblem wird durch die vom
Internet vorgegebene Menge an Standards offensichtlich
eher größer als kleiner. Andererseits ist es nicht möglich, diese Standards zu
ignorieren.
Ein möglicher Weg zur Reduktion dieses Problems ist die
Nutzung eines Referenzmodells. Die systematische Entwicklung von
Referenzmodellen wurde bisher primär mit dem Ziel der Entwicklung und
Dokumentation von Software eingesetzt. Es zeigt sich aber, dass die
eingeführten Methoden durchaus geeignet sind, den Aufbau von
Wissensmanagement-Systemen zu unterstützen. Das verstärkte Aufkommen dieser
schon genormten Begriffssysteme reduziert die Aufwände
bei der Erstellung einer Taxonomie für ein konkretes
Wissensmanagementsystem erheblich. Trotzdem werden Techniken benötigt, um die
hohe Komplexität der entstehenden, oft untereinander inkonsistenten
Begriffssysteme zu reduzieren und
Modellteile aus unterschiedlichen Quellen zu konsolidieren.
Zu beachten ist außerdem, daß
ein sehr großer Anteil des Wissens Prozesswissen ist und nicht durch das reine
Informationsmodell abgedeckt wird. Das entscheidende
Problem bei der Bildung von Informationsmodellen ist die
Kontrolle der Modellierungstiefe. Es ist von sehr großer
Bedeutung, ob man ein Kategoriesystem schafft, mit dem die alltäglichen
wichtigen emails sortiert werden, oder ob ein Datenmodell
zur Generierung von Software entwickelt werden soll.
Die beiden wichtigsten Hilfsmittel sind unserer Erfahrung
nach ein Glossar oder Informations-Repository, das möglichst
natürlichsprachig und Modellierungstool-unabhängig allen Beteiligten zur
Verfügung steht, und zum anderen eine prozess-orientierte
Vorgehensweise bei der Auswahl der Informationsobjekte. Gerade durch die
Prozessorientierung gelingt es, die Modellierungstiefe zu kontrollieren und
damit Modellierungskosten zu senken und am Ende die Akzeptanz des
Wissensmanagement-Systems zu erhöhen.
2
Das Information Repository
Die Knowlogy Methode geht von
den existierenden Dokumenten aus. Aus den Dokumenten wird mit statistischen
Verfahren eine Liste der am häufigsten verwendeten Substantive und Verben als
Grundgerüst für ein Objektmodell ermittelt. Die Texte
werden Satz für Satz untersucht und dann schrittweise in eine
Tool unabhängige Repräsentation – das Information
Repository - überführt. Die Dokumente umfassen oft
mehrere tausend Seiten. Neben den textuellen
Dokumenten liegen aber auch oft Modelle vor.
Diese Modelle sind Überreste vorhergegangener
Beratungsprojekte die i.A. sprachlich nicht
konsistent und kaum mehr zu verstehen sind.
Durch die Normung entsteht ein objektorientiertes
Grundgerüst, mit dem man die Modelle konsolidieren bzw. neu bilden kann. Für
das Wissensmanagement sind die Objekte Grundlage für
Kategoriesysteme. Für die Softwareentwicklung sind sie in CASE-Tools
und SW-Generatoren weiter zu verwenden. Es existiert ein Frontend auf Visio-Basis, mit
dem die Normsprache als UML oder EPK direkt graphisch erzeugt werden kann.
Datenquellen GPO-Werkzeuge
KM-Werkzeuge
Für große verteilte Modellierungsprojekte ist der Nutzen
eines gemeinsamen systematisch ausgearbeiteten Informationsmodells
offensichtlich, da ein aufwendiges Mischen der Modelle nach dem Ende der
Projekte vermieden werden kann.
Für ein einzelnes GPO-Projekt,
das immer eine konkrete Fragestellung haben sollte, oder den praktischen Aufbau
eines Wissensmanagement Systems ist diese Vorgehensweise
aber zu aufwendig, da sie eine vollständige Aufarbeitung des Wissens voraussetzt.
Für das Wissensmanagement würde das
bedeuten, dass man jeden neuen Text, im Grunde alle relevanten Texte und später
im laufenden System jede relevante email in ein
semantisches Netz oder sogar in Prozessmodelle überführt. Dieses kann nur
automatisch, evtl. auf Basis vorhandener semantischer Netze erfolgen. Produkte,
die KI-Technologien in diesem Umfeld nutzen, findet man bei CE oder SER. Ein
weiteres Werkzeug in diesem Umfeld bietet autonomy.
Unser Ansatz ist es, nicht von den Dokumenten sondern von
einem Modell der
Informationsflüsse auszugehen, das für das Wissensmanagement-System ggf. neu zu
erstellen ist. Während die „klassische“ Knowlogy
Methode darin besteht, alle Objekte und Operationen zu ermitteln und dann mit
diesen Prozesse zu bilden, empfehlen wir, zunächst ein Modell
der Wissensflüsse aufzustellen und aus diesen die wichtigsten Objekte
abzuleiten. Dieses Vorgehen ist wesentlich effizienter als der systematische
Ansatz und hilft bei der Konzentration auf das Ziel des Modells.
Im nächsten Schritt wird dann das Information-Repository
aufgebaut. Die aus dem Modell
abgeleiteten Objekte werden mit existierenden Taxonomien
oder Legacy Modellen
verglichen. Das entscheidende Maß für die Relevanz der gefundenen Information
aber bleibt die Verwendung der Information
im Modell der Wissensflüsse.
3
Knowledge Management bei Siemens Financial Services (SFS)
SFS betreibt das weltweite Finanzgeschäft des
Siemens-Konzerns. Das Unternehmen
wurde 1997 als Ausgliederung der operativen Finanzaktivitäten der Zentralabteilung
Finanzen gegründet. Seit diesem Zeitpunkt wird es als unternehmerisch verantwortliches Profit Center geführt, trägt wie operative
Bereiche zum Geschäftswert des Konzerns bei und betreut alle Konzerneinheiten
sowie externe Kunden. SFS ist mittlerweile in mehr als 20 Ländern erfolgreich
tätig und bietet Dienstleistungen von der Absatz- und Investitionsfinanzierung
über die Projekt- und Exportfinanzierung bis hin zum Investment Management.
SFS hat sich mit einem unternehmerisch agierenden Management
Team und hochmotivierten Mitarbeitern dynamisch
entwickelt. Ein Beleg dafür ist die von knapp 500 (Ende 1997) auf heute rund
900 Mitarbeiter angewachsene Zahl der Beschäftigten. Die Bilanzsumme belief
sich im vergangenen Geschäftsjahr auf 12 Mrd. Euro, das Ergebnis vor
Steuern lag bei 73 Mill. Euro.
Bei der 1997 umgesetzten Ausgliederung der operativen
Tätigkeiten aus der Siemens-Zentralabteilung Finanzen
standen zunächst vorrangig die Stärkung der Konzernfinanzierung, der Ausbau der
Absatzfinanzierung und die Schaffung eines Kompetenzcenters für die
Finanzthemen und die Finanzrisiken des Konzerns im Mittelpunkt. Mit der heute
realisierten Bilanz- und GuV-Transparenz und den bestehenden
Prozessen und Systemen können diese zunächst vorrangigen „Gründungsziele“ der
SFS als erreicht angesehen werden.
Jetzt steht SFS vor dem
konsequenten nächsten Schritt: Wachstumschancen gezielt nutzen, die sich im
ständig wandelnden Finanzmarkt mit Industrie-Kontext bieten. Dafür bringt SFS
als Teil eines der größten Technologieunternehmen der
Welt hervorragende Ausgangsvoraussetzungen
mit (siehe Lohneiß, Die Bank, März 2000).
Mit der Gründung der SFS stieß eine Reihe von
verschiedenen Kulturen und historisch gewachsenen Strukturen aufeinander, und
alle Beteiligten begaben sich auf den Weg des Sich-aneinander-Gewöhnens
und Kennenlernens.
Dieser Prozeß dauert weiterhin
an und bildet eine der Rahmenbedingungen, unter denen das Knowledge
Management der SFS sich bewegt.
Ein weiterer charakteristischer Faktor der SFS besteht
in ihrer Internationalität. Die SFS ist in 59 Ländern vertreten und hat ca. 20
Landesgesellschaften. Mit einer derartigen räumlichen Verteilung des Geschäfts
müssen bei der SFS Mittel und Wege gefunden werden, diese Distanz zu
überbrücken und trotzdem einen effizienten Austausch von Wissen und Informationen
sicherzustellen.
Was kann Knowledge Management
in einer solchen Situation leisten? Hier springen zunächst zwei Punkte ins Auge: die Erhöhung
der Produktivität durch verbesserte Kommunikationsmöglichkeiten auch über
räumliche Trennungen hinweg sowie die Unterstützung der Integration
der einzelnen Unternehmensteile. Unter diesen beiden Anforderungen wurden
folgende Projekte definiert:
·
Schaffung einer Personalübersicht, die nicht nur
alphabetisch, sondern auch über die Organisationsstruktur und, in einer zweiten
Stufe, über die Fähigkeiten der Mitarbeiter durchsucht werden kann
(Zuständigkeiten und Yellow Pages).
Gleichzeitig soll diese Übersicht die Quelle für alle Anwendungen der SFS
werden, die auf Personaldaten verweisen (Projektdatenbank,
etc.). Dieses Projekt befindet sich derzeit in der Anfangsphase. Ab Juni soll
dabei auf das von ZU entwickelte SCO zurückgegriffen werden, das
eine erste Möglichkeit des Zugriffs auch über das Intranet darstellt. Als
Herausforderung stellt sich, wie so häufig, der Update-Prozeß
dar, der in mehreren Iterationsstufen optimiert werden wird.
·
Ausbau des SFS-Intranets
Das bestehende Intranet der SFS wird funktionell stark ausgeweitet werden, um
schneller auf inhaltliche Anforderungen reagieren zu können (Content Management,
Single login, Personalisierung). Für die Einführung
dieser Werkzeuge wird derzeit ein Informationsmodell
erstellt, das die Informationsbedarfe der SFS prozeßorientiert
beschreibt.
·
Aufbau eines Knowledge
Café: Mit dem SFS Forum wird uns ab Mitte 2000 ein Raum zur Verfügung stehen,
der das gemeinsame Arbeiten über das Internet/Intranet ermöglicht, sowie
verstärkt Möglichkeiten bietet, Meetings zwischen unserer Zentrale in der
Münchener Seidlstraße und den Regionen effektiv unter verringerten Reisekosten
durchzuführen. Dazu gehört einerseits der Einsatz
einer modernen Präsentations- und Videokonferenz-Anlage und andererseits die
Möglichkeit, in diesem Raum seinen Rechner direkt einzustöpseln und damit
weitgehend papierlos über application sharing
mit Kollegen aus dem Haus und den Regionen zusammenzuarbeiten. Gleichzeitig
wurde dieser Raum innenarchitektonisch unter dem Gesichtspunkt des
Wissensaustausches nach den Ideen von Charles Savage,
Knowledge Era Enterprises, gestaltet, so daß
auch in größeren Gruppen schnell Kontakt gefunden werden kann.
·
Zusammenarbeit mit dem zentralen Wissensmanagement
(Corporate Knowledge Management,
CKM): Das Knowledge Management
der SFS arbeitet eng mit dem CKM zusammen, so daß das
dort vorhandene Wissen möglichst einfach übernommen werden kann. Von besonderem
Interesse ist dabei einerseits die Möglichkeit, gemeinsam neue Technologien wie
z. B. Kategorisierungstools auszuprobieren und andererseits die angekündigten
Angebote zur übernahme bestehender Lösungen aus
anderen Bereichen wahrzunehmen.
Grundlage für das Knowledge Management
bei SFS bildet dabei das im Rahmen des Informationsmodells entstandene grobe Prozeßmodell
der SFS. Dieses bildet das Dach einer analytischen Vorgehensweise für die
KM-Planung. Gleichzeitig wird damit die Transparenz
zwischen den Geschäftsgebieten enorm erhöht.
Ansatz im SFS Projekt war es, das Informationsmodell
ausgehend vom Prozessmodell zu bestimmen, da das Prozessmodell
die Kommunikationsstruktur und damit den Wissensfluß
im Unternehmen aufzeigt, wenn
die Bearbeiter den Aktivitäten zugeordnet sind.
Dieser Ansatz unterscheidet sich wesentlich vom bisherigen
Vorgehen beim Einsatz des Knowlogy Modellspracheneditors,
das eine möglichst umfassende und vollständige Abbildung der Domäne methodisch
unterstützt. Es wird hier darauf Wert gelegt, zunächst einen großen, relevanten
Teil des Unternehmens möglichst pragmatisch zu beschreiben und im Laufe des
Lebens mit den daraus resultierenden Ergebnissen notwendige Anpassungen
vorzunehmen. Es wird also bewußt auf eine
vollständige Abbildung verzichtet.
Ein zweites Bein, auf dem das Knowledge
Management der SFS basiert, ist
das neu entstandene Knowledge Management
Team. Dieses Team besteht aus Repräsentanten der einzelnen Geschäftsgebiete und
SFS Functions. Es bildet das Rückgrat der Um- und
Durchsetzung von Knowledge Management-Maßnahmen
einerseits und einen wichtigen Input-Geber für die Initiierung solcher
Maßnahmen andererseits. Die Mitglieder dieses Teams
rekrutieren sich dabei aus erfahrenen Mitarbeitern, die in ihren jeweiligen
Bereichen auch über das notwendige Durchsetzungsvermögen verfügen. Dabei ist
nicht die formale Position
ausschlaggebend, sondern in erster Linie das informelle Standing der jeweiligen
Person. Auf diese Weise wird
gewährleistet, daß das Knowledge
Management die nötige
Bodenhaftung behält und daß die Maßnahmen auch
wirklich in die bestehenden Prozesse integriert werden und nicht nebenher
laufen.
Zugrunde liegt dabei die Philosophie der koordinierten
Dezentralität. Ausgehend von der Überzeugung, daß Knowledge Management
nicht zentral verordnet werden
kann, sondern nur motiviert und dezentral
getragen werden muß, arbeitet das Knowledge
Management der SFS auf einer
möglichst dezentralen
Basis. Dabei muß jedoch gleichzeitig die Abstimmung
zwischen den einzelnen Bereichen sichergestellt werden. In der derzeitigen
Situation gibt es keine Mechanismen der Abstimmung auf der operativen Ebene.
Diese müssen also aufgebaut werden. Ein erster Schritt dazu ist die Bildung des
Knowledge Management-Teams.
Im Rahmen der entstehenden Projekte, aus denen weitere Initiativen hervorgehen
werden, bilden sich Strukturen, die zunächst durch das Team getragen werden. In
der Folge werden sich daraus eigenständige Zuständigkeiten innerhalb der
Gebiete herausbilden, so daß die Team-Mitglieder
jeweils nur eine Initial-Funktion wahrnehmen. Dadurch wird jedoch
sichergestellt, daß die Aktivitäten der einzelnen
Geschäftsgebiete unter dem Gesichtspunkt
des Wissensmanagements abgestimmt werden können und Synergien
rechtzeitig erkannt werden. Gleichzeitig wird die Umsetzung der
Wissensmanagement-Maßnahmen unterstützt, da die Maßnahmen mit den Gebieten
gemeinsam initiiert und geplant wurden.
Ein dritter Schritt wird die Herausarbeitung einer Knowledge Management-Strategie
für die SFS sein. Derzeit werden notwendige strategische Entscheidungen
getroffen, aus denen sich die mittel- und langfristigen Ziele des Knowledge Managements ableiten.
Mit diesen drei Faktoren (Team, Prozeßübersicht
und Strategie) hat das Knowledge Management
eine hervorragende Grundlage für seine Arbeit und sehr gute Chancen, ein
wirkliches Knowledge Management
System aufzubauen.
4
Prozeßorientiertes Informationsmodell für SFS als Basis für Intranet und Knowledge
Management
Für die SFS kam eine rein referenzmodell-orientierte
Vorgehensweise nicht in Frage, da die Erstellung eines Referenzmodells für die zu
lösenden Probleme zu zeitaufwendig gewesen wäre. Es wurde statt
dessen eine hauptsächlich prozeßorientierte
Vorgehensweise gewählt, die es ermöglicht, bei Bedarf bestehende Modelle miteinzubeziehen. Das prozeßorientierte
Informationsmodell bildet die Arbeitsgrundlage für das Knowledge Management
der SFS.
4.1
Nutzen des Informationsmodells
Aus den im Informationsmodell
abgebildeten Strukturen läßt sich das
Kategoriensystem für die Struktur des Intranets ableiten. Dabei können die
gefundenen Objekte und ihre Zusammenhänge direkt als Vorgabe für die
Hierarchisierung des Intranets verwendet werden. Gleichzeitig wird die
Grundlage für eine multikriterielle Verlinkung
geschaffen, indem die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Objekten als Links
im Intranet verschiedene Zugriffswege auf dasselbe Objekt
und damit verschiedene Sichten auf die Domäne ermöglichen. Voraussetzung dafür
ist der Einsatz eines Content-Management-Systems, das
die Möglichkeit der Zuordnung eines Objekts
zu verschiedenen Kategorien zur Verfügung stellt.
Mit dieser Vorgehensweise läßt
sich im Intranet die reale Umwelt des einzelnen Mitarbeiters deutlich besser
abbilden, als wenn nur eine Sicht (die „Referenzsicht“) dargestellt wird. Die
Akzeptanz des Intranets steigt deutlich an, da der einzelne Mitarbeiter sich
einfacher zurechtfinden kann. Über die Möglichkeit der Personalisierung kann
sich jeder seinen Teil der Welt in seiner Sicht im Intranet erzeugen und
erreicht damit eine wesentlich höhere Produktivität. Auch hierfür ist zunächst
ein Klassenbaum notwendig, der auf Basis des Informationsmodells erzeugt wird.
Dasselbe gilt für das Single Log in im Intranet, wenn aus dem Intranet auf zugriffsbeschränkte Daten
oder Applikationen zugegriffen werden soll. Für die dafür notwendige Vergabe
von Benutzerrechten kann das prozeßorientierte
Informationsmodell eine große Hilfe sein, da damit eine
erste Festlegung von Benutzerrechten möglich wird.
Wird für die eingesetzte Suchmaschine ebenfalls die
Struktur des Informationsmodells zugrundegelegt, kann
der einzelne Mitarbeiter wesentlich effizienter suchen, da er sich in seinem
Kontext bewegt.
Die im Unternehmen
besetzten Wissensfelder lassen sich mit Hilfe des Informationsmodells
identifizieren und es kann aufgezeigt werden, an welchen Stellen auf dasselbe Wissen
zugegriffen wird oder werden könnte. Damit bilden die mit Hilfe des
Informationsmodells erstellten Kategorien auch die Basis für ein Skillmanagement-System, das letzlich
ebenfalls auf denselben Begriffen arbeitet.
Weiterhin stellt das Informationsmodell
auch die Basis für die Struktur eines Dokumentenmanagement-Systems dar. Gelingt
es, in all diesen Feldern dieselbe Struktur mit für den einzelnen Mitarbeiter
bekannten Begriffen aufzusetzen, so ergibt sich ein erheblicher höherer
Effizienzgrad bei der Navigation durch die Wissensspeicher der Organisation.
4.1
Nutzen des Prozeßmodells
Das Prozeßmodell selbst erlaubt es dem Wissensmanagement,
die Zusammenhänge innerhalb des eigenen Unternehmens zu begreifen. Natürlich
kann dieser Effekt auch anderen Mitgliedern der Organisation von Nutzen sein (Management,
IT-Abteilung).
Es bildet damit auch gleichzeitig die Basis für die Koordination der lokalen
Wissensmanagement-Aktivitäten und ist Grundlage für die
Erfüllung des Anspruchs an eine „koordinierte Dezentralität“. Weiterhin kann es
als Ausgangspunkt für lokale Projekte genutzt werden (neue DV-Systeme, Prozeßveränderungen).
4.2
Projektverlauf
Bei der Erstellung des Modells wurde ein möglichst
pragmatischer Weg gewählt, um den Aufwand und die
Ermüdung der Organisation, die mit einer umfassenden Modellierung in der Regel
einhergeht, möglichst gering zu halten. Ziel war in erster Linie die Schaffung
einer Struktur für das Intranet in Vorbereitung der Einführung eines Content-Management-Systems. Aus diesem Grund wurde das
Projekt auf die Kernprozesse der SFS fokussiert. Auf dieser Basis können die
Strukturen von ca. 90% der Mitarbeiter der SFS abgedeckt werden. Für alle
übrigen Mitarbeiter lassen sich entweder nur begrenzt längerfristige Strukturen
definieren (Projektarbeit) und damit auch keine Navigationsmöglichkeiten im voraus schaffen oder sie können mit relativ geringem Aufwand
im Rahmen der Pflege des Modells integriert werden.
Im Gegensatz zur traditionellen Vorgehensweise bei der
Einführung von Content-Management-Systemen (Befragung
jedes einzelnen Mitarbeiters zur Erstellung sogenannter
Informationsprofile) wurde hier eine prozeßorientierte
Vorgehensweise gewählt. Dabei kann die Anzahl der zu befragenden Mitarbeiter
deutlich reduziert werden: Es werden nur noch Prozeßexperten
befragt. Im Rahmen der Beschreibung der ablaufenden Prozesse werden die
Wissensströme identifiziert und aus diesen dann die relevanten
Informationsobjekte abgeleitet. Die dabei erkannten Synonyme und Zusammenhänge
zwischen den einzelnen Objekten werden als Basis für die oben beschriebene
Schaffung verschiedener Sichten genutzt: einerseits gruppenspezifische Sichten,
andererseits prozeßspezifische Sichten. Die
Beherrschung der dabei auftretenden Komplexität kann jedoch nur noch mit Hilfe
technischer Unterstützung gewährleistet werden. Es sind also leistungsfähige
Modellierungstools notwendig, die eine konsistente Modellierung so weit wie
möglich sicherstellen.
Die Modellierung der Prozesse erfolgt dabei auf einer sehr
groben Ebene. Relevant sind hier nur die Schnittstellen
zwischen einzelnen Bearbeitern oder Gruppen innerhalb der Organisation, nicht
die jeweilige Vorgehensweise oder eingesetzte Methode im Detail. Dies führt zu
relativ schnellen Ergebnissen. Das Modell
der SFS entstand innerhalb von drei Monaten mit einem
Aufwand von ca. 100 Personentagen. Werden detailliertere Prozeßbetrachtungen
notwendig, kann das bestehende Modell
an den entsprechenden Stellen lokal verfeinert werden. Mit der Beschreibung von
Standardsoftware können dann auch Teile von Referenzmodellen
(z. B. SAP) integriert werden.
Im Ergebnis hat die SFS jetzt eine vernünftige Basis für
die Weiterentwicklung ihres Intranets sowie einen ersten groben
Gesamt-Überblick über die Prozesse des Unternehmens und damit eine gute
Grundlage für ein integriertes Knowledge Management.
5
Zusammenfassung
Im Knowledge-Management-Projekt
bei SFS wurden die Geschäftsprozesse zum Ausgangspunkt gewählt, um relevante
Informationsobjekte und ihre Begrifflichkeit zu identifizieren und damit ein
Informationsmodell als Grundlage für die Einführung
eines Content-Management-Systems zu schaffen. Das Modell
wurde trotz der hohen Anzahl betroffener Mitarbeiter aufgrund der prozeßorientierten Vorgehensweise in kurzer Zeit erstellt.
Durch die Berücksichtigung gruppen- und prozeßspezifischer
Sichten ist die Basis für eine hohe Akzeptanz des zukünftigen Systems gelegt.